Medical Gaslighting – wenn Schmerzen nicht ernst genommen werden

Er schrie vor Schmerzen

Letzter Tage las ich einen Artikel im „Stern“ zum Thema „Medical Gaslightning“. Mir fiel sofort ein Patient ein, der vor Jahren von seiner Frau zur Behandlung angemeldet wurde und der zum Termin laut schreiend und schimpfend vor meiner Tür stand. Ich war sehr erschrocken.

Die Aufnahme der Krankengeschichte, die Anamnese, gestaltete sich äusserst schwierig. Der ältere Herr schrie und schimpfte abwechselnd so lautstark, daß ich nicht recht voran kam. Seine Frau, die ihn begleitet hatte, saß mit gesenktem Kopf und sichtlich angefasst und peinlich berührt daneben und beantwortete meine Fragen.

Mir wurde berichtet, dass der Patient seit längerem unter starken Rückenschmerzen litt und oftmals vor Schmerzen schrie. Bisher seien alle Untersuchungen beim Orthopäden ohne Befunde gewesen. Deshalb die Ehefrau in ihrer Verzweiflung einen Termin bei mir zur Osteopathie gemacht hatte.

Aus dem Patienten selbst war keine klare Information herauszubekommen, er brüllte herum und fing an mich zu beschimpfen. Da er selbst fast keine Frage beantworten konnte oder wollte und streckenweise sehr verwirrt erschien, vermutete ich zusätzliche eine Demenz.

Red Flags – rote Flaggen

Natürlich gingen bei mir direkt alle Warnlampen an: älterer Herr und starke Rückenschmerzen – könnte es sich hier tatsächlich um ein metastasierendes Prostata-Karzinom handeln? Hatte die Ehefrau des Patientin vielleicht aus lauter Verzweiflung ein paar „Details“ bei der Anamnese „vergessen“? 

Im medizinischen Kontext bedeuten „Red flags“ das Vorhandensein von Symptomen oder Anzeichen, die auf schwerwiegende Erkrankungen hinweisen.

Bei jedem 6. Mann über fünfzig Jahren wird heutzutage Prostata-Krebs festgestellt. Wenn Prostatakrebs „streut“, also Metastasen bildet, sind häufig Lymphknoten und/oder Knochen und Wirbelsäule betroffen.

„Red flags“ sind wichtige Anhaltspunkte für Ärzte, um eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen zu ermöglichen. Wenn Sie oder jemand in Ihrer Umgebung „Red flags“ bemerken, sollten Sie sofort ärztliche Hilfe suchen, um mögliche Komplikationen zu vermeiden.

Die Bedeutung von MRT’s bei Rückenschmerzen

Eine Behandlung war nicht möglich. Der Patient ließ sich weder auf dem Rücken noch auf den Bauch lagern und schrie die gesamte Zeit. Als er mich zunehmend übler beschimpfte, brach ich die Behandlung ab. Ich riet nochmals dringend dazu, umgehend ein MRT machen zu lassen.

Danach hörte ich nichts mehr von den beiden. Ein knappes halbes Jahr hörte ich durch eine Nachbarin des Patienten, dass er tatsächlich an einem metastasierten Prostata Karzinom verstorben war.

Ich weiss bis heute nicht, ob der Patient tatsächlich bei seinem Hausarzt oder Orthopäden war und die Ehefrau dies nur behauptet hat. Befunde habe ich seinerzeit nicht gesehen und durch die von mir vermutete Demenz war auch keine klare Auskunft von meinem Patienten zu bekommen.

Medical Gaslightning – wenn Ärzte und Therapeuten Ihre Beschwerden in Frage stellen

Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, dass Ihre Beschwerden nicht ernst genommen wurden? Dass Ihr:e behandelnde:r Ärztin/Arzt Ihre Schmerzen abgetan hat und Ihnen das Gefühl gabe, dass Sie alles sich nur einbilden? Und dass Ihr Bauchgefühlt Ihnen klar sagt, dass etwas nicht stimmt? Wenn ja, dann haben Sie möglicherweise Erfahrungen mit „medical gaslightning“ gemacht.

Medical Gaslightning ist ein Begriff, der verwendet wird, um das Verhalten von Ärzten oder medizinischen Fachkräften zu beschreiben, die die Beschwerden von Patienten oder Patientinnen nicht ernst nehmen oder minimieren. Der Begriff „gaslighting“ stammt aus der Psychologie und bezieht sich auf eine Art von emotionaler Manipulation, bei der eine Person die Wahrnehmungen und Gedanken einer anderen Person in Frage stellt oder ablehnt. Im Falle von medical gaslightning bezieht sich dies auf Situationen, in denen Ärzte oder medizinische Fachkräfte das Leiden von Patienten oder Patientinnen in Frage stellen oder minimieren.

Medical Gaslightning ist also nicht nur unfair, sondern kann auch dazu führen, dass sich Patienten und Patientinnen unverstanden, allein gelassen und unzureichend behandelt fühlen.

Empowerment gegen Medical Gaslightning – setzen Sie sich für Ihre Gesundheit ein

Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie Opfer von medical gaslightning sind, gibt es einige Schritte, die Sie unternehmen können. Stellen Sie so sicher, dass Ihre Bedenken und Beschwerden ernst genommen werden. Hier sind einige Tipps:

  • Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl: Wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, sollten Sie dies Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin mitteilen. Sie kennen Ihren Körper am besten und sollten nicht das Gefühl haben, dass Ihre Bedenken nicht ernst genommen werden.
  • Informieren Sie sich selbst: Recherchieren Sie Ihre Symptome und mögliche Diagnosen im Internet oder in medizinischen Fachbüchern. Auf diese Weise können Sie sich besser auf Gespräche mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin vorbereiten und gezielt Fragen stellen.
  • Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin: Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Bedenken nicht ernst genommen werden, sprechen Sie dies offen an. Fragen Sie nach einer gründlichen Untersuchung und Diagnose oder einer zweiten Meinung.

Ursachen und Kontext von Medical Gaslightning – Belastungen im Gesundheitssystem

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder Fall von medical gaslightning böswillig ist. Oftmals liegt es daran, dass Ärzte oder medizinische Fachkräfte aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung bestimmte Symptome als nicht relevant oder ungewöhnlich einstufen.

Dazu kommen die allgemein bekannten Probleme in unserem Gesundheitssystem. Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie schrieb bereits 2016: „Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 55,7 Stunden und 61,1 behandelten Patienten am Tag fühlen sich 39 Prozent der befragten Orthopäden durch ihre Arbeit ausgebrannt…“ 

Die perfekte Kombination für ganzheitliche Behandlungserfolge

61 Patienten am Tag? Ich persönlich könnte wahrscheinlich schon um 10 h nicht mehr sagen, wen ich um 8 h behandelt habe. Ganz ehrlich? Kein Job für mich, ich bleibe lieber in meiner kleines Praxis und kümmere mich liebevoll und mit ausreichend Zeit um meine Patient:innen.

Und genau aus diesen Gründen halte ich die Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und Heilpraktiker/Osteopathen/Phsyiotherapeuten für immens wichtig, da sie uns die Möglichkeit gibt, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren. 

Als Heilpraktikerin/Osteopathin nehmen ich mir eine ganze Stunde Zeit für die Behandlung, denn ich weiß, dass wahre Heilung Zeit, Aufmerksamkeit und eine ganzheitliche Herangehensweise erfordert. 

Ich verstehe, dass der Körper und Geist eng miteinander verbunden sind. Eine umfassende Betrachtung ist notwendig, um die Wurzel des Problems zu finden. Durch diese enge Zusammenarbeit können wir die Vorteile der medizinischen Diagnose und Intervention eines Orthopäden mit den sanften, aber kraftvollen manuellen Techniken der Osteopathie verbinden. So können wir unseren Patient:innen die bestmögliche Versorgung zu bieten und ihnen ein Leben frei von Schmerzen und Einschränkungen ermöglichen.

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Befreien Sie sich von Medical Gaslightning – für Ihre Gesundheit

Medical gaslighting kann für Patienten und Patientinnen eine furchtbare Erfahrung sein. Ärzte und medizinische Fachkräfte müssen die Sorgen und Beschwerden ihrer Patienten und Patientinnen ernst nehmen und angemessen darauf reagieren. Fühlen Sie sich als Opfer von medical gaslighting, sollten Sie sich darauf konzentrieren, lautstark Ihre Stimme zu erheben und für sich selbst einzustehen. Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin und recherchieren Sie gezielt Ihre Symptome, um sicherzustellen, dass Ihre Gesundheitsbedürfnisse erfüllt werden.

Als Gesellschaft müssen wir die dringende Notwendigkeit einer aufmerksamen und einfühlsamen Gesundheitsversorgung erkennen. Wenn wir verstehen, was medical gaslighting bedeutet und wie wir es vermeiden können, können wir sicherstellen, dass unsere medizinischen Bedürfnisse zukünftig angemessen behandelt werden. Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten, um eine fürsorgliche und respektvolle Gesundheitsversorgung zu fördern. 

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen!

Danke für’s Lesen!

Ihre 

Andrea Speier

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